Reflektierende Lichter auf warmem, regennassem Asphalt, ein Nachtfalter schwirrt um das Licht einer übergroßen Neonreklame der Indie-Diskothek Coucou. Dumpf dringt der Bass durch die Wände und schon sind wir mittendrin in unserem ganz persönlichen Film Noir.
Der Klang der E-Gitarre umhüllt die beiden Stimmen – Melodien steigen auf und tänzeln wie Lichter durch die Dämmerung, bis sie vom fordernden Beat der Stand-Tom wieder eingefangen werden. Draußen erahnt man bereits das Pulsieren der erwachenden Stadt, jedoch das stete Pochen des Drumcomputers verbindet sich mit geisterhaften Gitarren-Loops zu einem Vorhang, der noch nicht geöffnet werden will.
Mit zwei Stimmen, einer Gitarre, sowie elektronischen und perkussiven Soundelementen kreieren Meryem, Steffi und Janda von Coucou eine Stimmung, in die man sich fallen lassen möchte – wie ins Bett nach einer langen Nacht. Der Sound dieser frühen Stunde erinnert an 70'er Softrock und den Goth-Folk der Neuzeit, wie man ihn von Aldous Harding kennt. Alles ist wunderbar unaufgeregt und geht gerade deshalb so nah: zelebrierte Langsamkeit, eine kleine Reise ins Innere. Coucou ist großes Zeitlupenkino inmitten der rastlosen Moderne.
Die EP „Girl“ entstand in Zusammenarbeit mit Produzentenlegende Olaf Opal (The Notwist, Die Sterne), der den Sound der drei Frauen aus Leipzig und Berlin erstaunlich ungefiltert eingefangen hat: Coucou klingt eigenständig und kompromisslos, voll stimmgewaltig-zarter Melancholie. Hört man sich durch „Girl“, gerät man in ein Kaleidoskop aus Klang- und Sinnestäuschungen. Gleich der Opener „Out of My Head“ schiebt sich puckernd, in leicht brisanter Schräglage, ganz wie von selbst durch Beats, Gitarrenhooks und herrlich verschrobenen Satzgesang. Davor, so denkt man, lief wohl Chris Isaak und danach erklingt ein würdevolles „All Tomorrows Parties“ von The Velvet Underground mit der unvergesslichen Nico. Alles perlt herrlich poppig, bleibt lange im Ohr und dabei angenehm verwegen.
„There's a Place“, das zweite Stück der sechsteiligen Coucou Miniserie, kommt mit großer Schönheit, taucht tief, berührt Meeresgrund und Plankton – leuchtend hell in der Nacht. Beim Hören des Titelsongs „Girl“ befindet man sich schließlich im menschenleeren Bus auf dem Weg nach Hause.
Schaltet man am nächsten Tag das Radio ein und aus den Lautsprechern strömt: „You Don't Have to Worry“, wird die Erinnerung an die letzte Nacht wieder wach – wundervoll klar und berührend – der Film beginnt von vorn.
01 Out Of My Head
02 My Idea Of You
03 You Don't Have To Worry
04 Girl
05 There's A Place
06 In The Raw