Bad Temper Joe - The Memphis Tapes (12" Vinyl-Album)
Langsam, aber zielstrebig bahnt sich der Bielefelder Bluesmusiker, Gitarrist, Sänger und Songschreiber Bad Temper Joe seinen Weg durch das musikalische 21. Jahrhundert. Seine Musik hat zwar nicht den Anspruch, massentauglich zu sein. Trotzdem wird sich niemand den Klängen seiner Weissenborn-Gitarre entziehen können, der oder die sich einmal auf sie eingelassen hat. Mit „The Memphis Tapes“ veröffentlicht BTJ nun für alle Liebhaberinnen und Liebhaber des Blues ein ganz besonderes Stück Musik: eine EP auf Vinyl, in kunstvoller Gestaltung (Artwork: Gerald Oppermann) und aufgenommen im berühmten Sun Studio in Memphis, Tennessee – eben dort, wo Bluesgrößen wie Howlin? Wolf, Junior Parker, James Cotton und nicht zuletzt Elvis Presley und Johnny Cash viele ihrer Songs aufgenommen haben.
„The Memphis Tapes“ lässt sechs Songs aus früheren Produktionen Bad Temper Joes in anderem Gewand ganz neu erklingen: in jenem Sound, den nur das Sun Studio und nur eine Schallplatte ermöglicht. Die Aufnahmen nehmen das Publikum mit in die Nacht vom 2. Februar 2020 auf die Union Avenue, an der das altehrwürdige Studio liegt. Draußen weht ein für die Jahreszeit erstaunlich warmer Wind. Im Inneren rattert schon die Bandmaschine. Ein einzelner Stuhl wird bereitgestellt. Joe, wie immer nur mit Gitarre auf den Knien, setzt sich. Einige Mikrofone werden arrangiert und Toningenieur Daniel Crockett gibt durch die Glasscheibe das Zeichen: Die Aufnahme läuft.
Nur einen Tag vorher hatte der ostwestfälische Bluesbarde noch auf der Bühne des Orpheum Theatre in Memphis gesessen und seine Songs vor mehr als 2.000 enthusiastischen Zuhörerinnen und Zuhörern gespielt. Das Theater – auch bekannt durch das Johnny Cash-Biopic „Walk the Line“ – war Austragungsort des Finals der International Blues Challenge. Bad Temper Joe hielt bei der Challenge nicht nur die Farben des deutschen Blues hoch. Ihm wurde auch die besondere Anerkennung zuteil, als letzter im Wettbewerb verbliebener Europäer im Finale aufzutreten. Das amerikanische Publikum hatte er bereits an den Tagen zuvor in verschiedenen Clubs auf der Beale Street begeistert.
Gut präpariert ging es nun also ins Sun Studio. In einer einzigen Nacht spielt Joe gleich mehrere Takes jener sechs Stücke ein, die nun als „The Memphis Tapes“ erscheinen. Das Ergebnis kann sich hören lassen: Die von Henning Strandt gemixten Aufnahmen geben den Hörerinnen und Hörern das Gefühl, direkt dabei zu sein: in Memphis, im Sun Studio, direkt neben BTJ. Der Geist Johnny Cashs scheint über dem Endzwanziger zu schweben, wenn die Country-Ballade „Girl from the East“ erklingt. Nicht wenige der Bluesgeister dürften anerkennend nicken, wenn er einmal mehr über Tränen und Diamanten singt. Schließlich nimmt Joe sein Publikum mit auf den Highway, um dem grummeligen Singer/Songwriter, der nur für das Leben auf Reisen geschaffen ist, Lebewohl zu sagen – nicht ohne das letzte Glas im Stehen.
Es gibt wohl nur wenige Künstler, denen es gelingt, ihr Publikum mit einem solch minimalistischen Setting in ihren Bann zu ziehen. Mit „The Memphis Tapes“ zeigt Bad Temper Joe einmal mehr, dass ihm genau das vom ersten bis zum letzten Ton gelingt. „The Memphis Tapes“ wird die Welt nicht verändern. Wer sich aber auf das Knistern der Vinyl-Platte einlässt, wird für knapp 30 Minuten die Schnelllebigkeit, das Auf und Ab und das Hin und Her unserer Zeit vergessen.
Side A
01 If Tears Were Diamonds
02 Hell’s Gonna Fly
03 Girl From The East
Side B
01 Homeless
02 Sleeping Giant Blues
03 Man For The Road