STEFAN SAFFER

Foto: Elia van Scirouvsky

Am Anfang standen zwei Fragen des Musikers: Wie kann ich die Energie und den Punk-Spirit meiner Jugend mit 30 Jahren Songwriter-Erfahrung kombinieren und wie kann ich meine Wut über so viele bedenkliche Entwicklungen in Deutschland kreativ nutzen und in hörbare Form bringen?

Drei Jahre nach seiner letzten Veröffentlichung ‚New Day‘ liegt nun die Antwort vor: Und die heißt „German Babylon“, ein zorniges, weiß-glühendes, nach vorne drückendes Album, das einen regelrecht anspringt. Das Leipziger Trio um den charismatischen Singer/Songwriter/Gitarristen Stefan Saffer hat seinen typischen, ganz eigenen Sound weiter perfektioniert, ihn fokussiert und verdichtet in 10 brandneuen Song-Granaten.


Das heißt: Harter, sehr harter Indie-Guitar-Rock, der mit einem Bein fest im Punk-Dreck steht während das andere auch schon mal zu Pop-getränkten Melodien tänzeln darf. In diesem Spannungsfeld bewegen sich auf dem neuen Album flotte Midtempo-Kracher wie der Opener „Two fires“, die erste Auskopplung „No justice no peace“, das supermelodische „Kid with the dirty face“ oder das groovige „Union Day“. Ausreißer in diverse, angrenzende Genres gibt es erfreulicherweise auch: So schwingen „Hatebook“ und „This ball’s on fire“ schon mächtig die Speed- und Hardcore-Keule, während der Titeltrack „German Babylon“ wuchtig hardrockig daherstampft und das wirklich erstaunliche „Ashland“ angenehme Erinnerungen an 80er-New Wave (v.a. The Police) hervorruft, bevor der Track in einer Gitarren-Feedback-Orgie regelrecht explodiert. Und natürlich darf auch auf diesem Album das obligatorische SSB-Instrumental nicht fehlen. Dieses Mal in Form von „Mimimi“, ein schönes Showcase für das Zusammenspiel der drei Instrumente und den schrägen Humor der Band.


Obwohl Stefan Saffer den Begriff „Konzeptalbum“ ablehnt, stehen alle 10 Songs von „German Babylon“ inhaltlich in engem Zusammenhang. Den Großteil davon schrieb er im Herbst 2020, einer Zeit, in der die Stimmung im Land, auf der Straße und vor allem im Netz sehr aufgeheizt und aggressiv war. Und so spiegeln die Tracks seine Sicht auf die Themen wider, die uns in diesen Zeiten wohl alle emotional in Wallung bringen. Da geht es um Rassismus, Hass und Hetze im Internet, die Spaltung unserer Gesellschaft, Verschwörungsparanoia, die Verletzlichkeit und Vergänglichkeit unserer Existenz sowie der Frage, wer in diesen Zeiten eigentlich die Meinungs- und Deutungshoheit im Land hat.

Kein leichter Stoff, der aber durch die großartigen Kompositionen wunderbar integriert wurde und perfekt in 10 abwechslungsreiche Songs gegossen wurde, die richtig abgehen und sich schnell in den Gehörgängen festkrallen. Ein Album für Hirn und Bauch sozusagen, ein Album aus einem Guß, so wie gute, harte und authentische Rock-Musik mit Attitude eben sein sollte.


Neben dem langjährigen SSB-Drummer Koma Kschentz stand Stefan Saffer auf „German Babylon“ (aufgrund einer Auszeit von Stammbasser Tom Löwe) glücklicherweise mit dem Berliner Indie-Rock-Veteran Rudi Freese am Viersaiter: ein mehr als gleichwertiger Ersatz zur Verfügung. Freese, vielen vielleicht noch aus seiner Zeit als Vorsteher der legendären 80er Indie-Band „The Strangemen“ und als Tour-Gitarrist des verstorbenen Ex-Hüsker Dü-Drummers Grant Hart bekannt, hat sich auf dem Album mit seinem kompromisslos rockenden Bass-Spiel nahtlos und mit viel Wucht perfekt in den SSB-Sound eingeklinkt.

Aufgenommen wurde „German Babylon“ von Oktober 2020 bis April 2021 im bandeigenen Studio in Leipzig, gemischt und gemastered bei „DieWerkstattLE“, produziert wurde das Album von Stefan Saffer.