Fotos: Dorija Parsley |
„Wer hat hier wen domestiziert – der Weizen uns oder wir den Weizen?“ Wenn so eine Textzeile zu einem Ohrwurm-Refrain wird, dann kann nur Unter anderem Max am Werk sein. Hinter dem Projekt stehen wechselnde Besetzungen um den Singer-Songwriter, Gitarristen und Pianisten Max Kühlem aus Bochum.
Die Textzeile stammt aus dem neuen Album „Die Welt im Vorbeiziehen“. Es erscheint zehn Jahre nach dem Debüt „Unter anderem Max“, an dem unter anderem der Sänger, Multiinstrumentalist und Songwriter Tom Liwa mitgewirkt hat. Nachdem als Singles „Hier Oben“ und „Für die Lohnarbeit“ bei Konstantin Weckers Label Sturm & Klang erschienen sind, kommen alle zwölf neuen Stücke jetzt beim Osnabrücker Label Timezone heraus.
Sie sind so schillernd und vielfältig wie es das „Unter anderem“ im Bandnamen ankündigt: Max Kühlem schreibt zwar alle Songs oder bearbeitet Gedichte musikalisch, aber etwas zu schreiben, bedeutet ja auch „nur“, etwas aus dem weiten Erfahrungs- und Möglichkeitsraum zu ergreifen und anzuordnen, der prinzipiell allen Menschen zur Verfügung steht. Also gibt es mannigfaltige Einflüsse, die zu den Songs führen – bewusst oder unbewusst: Die neue Homeoffice-Situation, die Wiederentdeckung der Natur, japanische Haikus und der Weg des Zen-Buddhismus nach Amerika in „Für die Lohnarbeit“. Hannes Waders besondere Liedermacher-Stimme und die Fragen der neuen Umweltbewegungen in „Hier oben“. Ein beim Jammen am Fluss aufgeschnapptes Gitarrenmotiv bildet das Fundament des Titelsongs „Die Welt im Vorbeiziehen“. „Der längste Tag des Jahres“ hat er tatsächlich an einem 21. Juni geschrieben. Erinnerungen an die eigene und andere Kindheiten sind in „Ameisenbau“ und „Die kleinen Leute“ eingeflossen. Zu letzterem bilden ein Live-Auftritt und Heimvideos von Max Kühlems verstorbenem Großvater ein Musikvideo mit Super-8-Charme.
Musikalisch sind Unter anderem Max schwer einzuordnen – hier schreiben sich auch die Einflüsse der verschiedenen Besetzungen in die Songs ein. Max spricht manchmal von Singer-Songwriter-Folk-Pop, hat aber selbst noch andere Leidenschaften: Jazz und (Indie-)Rock, Country und Klassik, Bossa Nova oder den politischen deutschen Pop der Hamburger Schule zum Beispiel. Bei „Für die Lohnarbeit“ oder „My Attitude“, bei dem der Text von Florine Stettheimer stammt, verzichtet er ganz auf treibendes Schlagzeug und wird dafür von Streichern der Bochumer Symphoniker begleitet, deren erster Cellist Wolfgang Sellner auch das Streicher-Arrangement geschrieben hat. Die Violine spielt Stefanie Himstedt. Bassist und Multi- Instrumentalist Robin Heimann sorgt für Grundierung und Background-Gesänge und spielt auch manchmal Slide-Gitarre.
Neben opulent, mit kompletter Band und Streichern arrangierten Songs finden sich auch kammermusikalische Kleinode wie das Cover „Next of Kin“ des Bright-Eyes-Sängers Conor Oberst oder eine Vertonung von Joseph von Eichendorffs „Winternacht“. Auch „Indiefremde“ ist eine Eichendorff- Vertonung und stammt noch aus Myspace-Zeiten, ist wahrscheinlich bald 20 Jahre alt. Nur die Stimme hat Max dafür im Studio neu eingesungen, die Gitarrenspur stammt von seinem alten Vier-Spur- Aufnahmegerät. Und für den ambivalenten Beziehungssong „Trotzdem“ traut er sich zum ersten Mal solo ans Klavier.
Pressestimme zu „Für die Lohnarbeit“:
„Spitzen-Idee, den Song als Walzer anzulegen. Es ist wohl mein einziges Lieblingslied, in dem das Wort ‚Hochbett‘ vorkommt.“
Philipp Holstein, Rheinische Post, Juror beim Preis der deutschen Schallplattenkritik